Starke Begegnung

Die stärkste und ermutigendste Begegnung in meinem Jahr 2023: Das kurze Gespräch mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

Es war im Herbst 2023. Joachim Gauck kam zu einer Lesung nach Visbek. Jeder Platz im Saal war besetzt, rund 350 Ohrenpaare lauschten dem ehemaligen Politiker und heutigen Autor, wie er seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in Deutschland und der Welt herleitete, einordnete und vermittelte. Gekonnt, klug, souverän. Unaufgeregt und gleichzeitig tief bewegt. So jedenfalls habe ich diesen Abend in Erinnerung.

Signierstunde in Visbek: Joachim Gauck hat keine Ahnung, wie sehr er mich schon in meinem Studium an der Universität Oldenburg geprägt hat. Und zwar auch eine sehr besondere Weise. Foto: Dasenbrock.

Eigentlich hatte er sein Werk "Erschütterungen" vorgestellt, doch bei der späteren Signierstunde ging ich leer aus. Alle Exemplare waren vergriffen. Als ich an der Reihe war, sagte ich: „Tja, da habe ich wohl Pech gehabt.“ - Gauck blickte auf und sagte: „Wissen Sie was? Sie sind noch so jung. Sie müssen ein anderes Buch lesen! Lesen Sie das hier!“ Er sprach von „Winter im Sommer. Frühling im Herbst“. Wir unterhielten uns kurz, auch über Beruf und Ehrenamt. Ich verabschiedete mich dankbar.

In dem Band, den ich signiert mit nach Hause nahm, geht es um den Wandel, den unser Land in den vergangenen 80 Jahren erlebt hat. Gauck zeigt, wie er als Kind, junger Erwachsener, Pfarrer und als Beauftragter für die Stasi-Unterlagen Menschen und ihren unbeugsamen Willen erlebt hat.

Ich kann das Buch nur empfehlen. Und zwar jedem. An manchen Stellen war ich durchaus enttäuscht von der Haltung, der Entscheidung, der Meinung Gaucks. Und doch bin ich beeindruckt von seiner Sicht und seinen Schilderungen.

Aber warum hat mich diese Begegnung so berührt?

Meine allererste Begegnung mit Gauck hatte ich während seiner Amtszeit als Bundespräsident. Und zwar in einem künstlerischen Kontext.

Damals habe ich beim Fakultätsfest der Universität eine seiner Reden 1:1 vorgetragen, aber anders kontextualisiert.Eine rhetorische Performance.Eine Kunst.Ein Experiment.Es war großartig! Gauck (bzw. sein Redenschreiber) lieferte mir eine Art Blaupause für große Worte und rhetorische Größe.Aber alles Inhaltliche, alles, was mit Taten zu tun hatte, habe ich gestrichen und verändert.Es war nur eine Hülse.

Der Inhalt, die Haltung fehlte bewusst. Dieser Auftritt steht aus heutiger Sicht in direktem Zusammenhang mit meinem heutigen Ich in Beruf und Ehrenamt:

Ich engagiere mich in meinem Beruf als Moderatorin und in meinem Ehrenamt für die Stärkung unserer Demokratie. Worte und Taten unterstützen sich gegenseitig und das eine kann ohne das andere nicht funktionieren.

„Ich spreche, also bin ich“, denke ich manchmal. Ich spreche zu Menschen, mit Menschen, selten über Menschen. Aber öfter über Meinungen, Fakten. Ich stelle Zusammenhänge her, lasse kommentieren und wirken. Ich fordere Inhalte und Haltungen heraus. Und ich bin überzeugt, dass das eine Arbeit ist, die wichtig ist. Die einen Beitrag leisten kann. Sie kann auch unterhaltsam, leicht und lustig sein. Aber am Ende des Tages bringe ich Menschen und Ideen zusammen.

Worte und Taten. Eine gute Verbindung.

Bleibt neugierig!

Eure Anja

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